Vor Zurück Inhalt4. Theoretische GrundlagenIn diesem Teil soll ein kurzer Überblick über die psychologischen Emotionstheorien gegeben werden, die den im Folgenden dargestellten Computermodellen zugrundeliegen. Dabei kann der Anspruch hier nicht darin bestehen, jeden theoretischen Ansatz in seiner gesamten Komplexität darzustellen und kritisch zu bewerten. Vielmehr geht es darum, einige Kernelemente der jeweiligen theoretischen Ansätze darzustellen, insofern diese in den Computermodellen wieder aufgegriffen werden. Es ist interessant, daß sich die Mehrzahl der Computermodelle von Emotionen, sofern sie sich ausdrücklich auf psychologische Theoriebildung beziehen, auf den sogenannten Einschätzungstheorien basiert. Die Faszination dieser Ansätze liegt offenbar darin begründet, daß sie sich hervorragend zur Operationalisierung eignen und damit (relativ) einfach in Programmcode umsetzbar sind. 4.1. Die Theorie von Ortony, Clore und CollinsOrtony, Clore und Collins (1988) haben ihren theoretischen Ansatz ausdrücklich im Hinblick auf die Implementation in einem Computer entwickelt: Die Theorie von Ortony, Clore und Collins nimmt an, daß Emotionen als Folge bestimmter Kognitionen und Interpretationen entstehen. Deshalb konzentriert sie sich ausschließlich auf die kognitiven Auslöser von Emotionen. Die Autoren postulieren, daß drei Aspekte diese Kognitionen determinieren: Ereignisse (events), Agenten (agents) und Objekte (objects). Emotionen, so ihre zentrale Annahme, stellen valenzierte Reaktionen (valenced reactions) auf diese Perspektiven auf die Welt dar. Man kann sich über die Konsequenzen eines Ereignisses freuen oder nicht freuen (pleased/displeased); man kann die Handlungen eines Agenten befürworten oder ablehnen (approve/disapprove) oder man kann Aspekte eines Objekts mögen oder nicht mögen (like/dislike). Eine weitere Differenzierung besteht darin, daß Ereignisse Konsequenzen für andere oder für einen selbst haben können und daß ein handelnder Agent ein anderer oder man selbst sein kann. Die Konsequenzen eines Ereignisses für einen anderen lassen sich unterteilen in erwünscht und unerwünscht (desirable/undesirable); die Konsequenzen für einen selbst als relvante oder irrelevante Erwartungen. Relevante Erwartungen für einen selbst schließlich können noch einmal danach unterschieden werden, ob sie tatsächlich eintreten oder nicht (confirmed/disconfirmed). Aus dieser Differenzierung ergibt sich folgende Struktur von Emotionstypen:
Abb.2: Struktur von Emotionstypen in der Theorie von Ortony, Clore und Collins (nach Ortony, Clore, Collins, 1988, S.19) Die Intensität einer emotionalen Empfindung wird vorwiegend bestimmt durch drei zentrale Intensitätsvariablen: Desirability ist verknüpft mit der Reaktion auf Ereignisse (events) und wird im Hinblick auf Ziele (goals) evaluiert. Praiseworthiness ist verknüpft mit der Reaktion auf Aktionen von Agenten (agents) und wird im Hinblick auf Standards (standards) evaluiert. Appealingness ist verknüpft mit der Reaktion auf Objekte (objects) und wird im Hinblick auf Einstellungen (attitudes) evaluiert. Weiterhin definieren die Autoren eine Reihe von globalen und lokalen Intensitätsvariablen. Sense-of-reality, proximity, unexpectedness und arousal sind die vier globalen Variablen, die über alle drei Emotionskategorien hin wirken. Die lokalen Variablen, zu denen auch die oben erwähnten zentralen Intensitätsvariablen gehören, lauten:
Tab. 1: Lokale Variablen in der Theorie von Ortony, Clore und Collins (nach Ortony, Clore und Collins, 1988, S. 68ff.) Jeder dieser Variablen werden im konkreten Fall ein Wert (value) und eine Gewichtung (weight) zugewiesen. Zudem gibt es für jede Emotion einen Schwellenwert (threshold), unterhalb dessen eine Emotion nicht subjektiv empfunden wird. Auf der Grundlage dieses Modells läßt sich die Entstehung einer Emotion in formaler Sprache beschreiben: Es sei D(p,e,t) die Wünschbarkeit (D) eines Ereignisses (e) für eine Person (p) zu einem bestimmten Zeitpunkt (t). Diese Funktion besitzt für ein wünschenswertes Ereignis einen positiven Wert, für ein nicht wünschenswertes Ereignis einen negativen Wert. Es sei ferner Ig(p,e,t) eine Kombination globaler Intensitätsvariablen und Pj(p,e,t) das Potential für einen Zustand der Freude (joy). Dann läßt sich folgende Regel für "Freude" erstellen: IF D(p,e,t) > 0 THEN set Pj(p,e,t) = fj(D(p,e,t), Ig(p,e,t)) Die resultierende Funktion fj löst eine weitere Regel aus, welche die Intensität für Freude (Ij) bestimmt und damit erst das Erlebnis der Freude-Emotion auslöst. Es sei Tj ein Schwellenwert, dann gilt: IF Pj(p,e,t) > Tj(p,t) THEN set Ij(p,e,t) = Pj(p,e,t) - Tj(p,t) ELSE set Ij(p,e,t) = 0 Wenn der Schwellenwert überschritten wird, produziert diese Regel die Emotion der Freude; ansonsten liefert sie den Wert "Null", d.h., kein emotionales Empfinden. Je nach Intensität der Emotion werden unterschiedliche tokens zu ihrer Beschreibung benutzt. Solche tokens sind Wörter, welche diese Emotion beschreiben. Ortony, Clore und Collins selber liefern keine Formalisierungen für alle von ihnen definierten Emotionen, sondern geben lediglich ein paar Beispiele. Sie behaupten jedoch, daß jede Emotion in entsprechend formaler Notation formuliert werden kann, wenn dies bei vielen Emotionen auch weitaus komplexer ist als bei dem vorgestellten Beispiel. Mit der Hilfe eines solchen formalen Systems soll ein Computer dazu in der Lage sein, Schlußfolgerungen über emotionale Episoden zu ziehen, die ihm präsentiert werden. Die Autoren begrenzen ihr Ziel durchaus bewußt: 4.2. Die Theorie von RosemanDie Theorie von Roseman, die er erstmals 1979 vorstellte (Roseman, 1979), ist von ihm in den darauffolgenden Jahren mehrfach modifiziert worden. Dabei hat sie sich in (zum Teil wesentlichen) Details verändert; gleichgeblieben ist lediglich der Grundansatz einer Einschätzungstheorie (appraisal theory) der Emotionen. Roseman entwickelte seine erste Theorie aufgrund von 200 schriftlichen Berichten über emotionale Erfahrungen. Aus der Analyse dieser Dokumente leitete er sein Modell ab, in dem fünf kognitive Dimensionen bestimmen, ob eine und welche Emotion auftritt. Die erste Dimension erfaßt, ob eine Person eine Motivation hin zu einem erwünschten situationalen Zustand besitzt oder eine Motivation weg von einem unerwünschten situationalen Zustand. Die Dimension kennt somit die Zustände "positiv" und "negativ". Die zweite Dimension erfaßt, ob die Situation mit dem motivationalen Zustand der Person übereinstimmt oder nicht. Die Dimension kennt somit die Zustände "Situation vorhanden" oder "Situation nicht vorhanden" (present und absent). Die dritte Dimension erfaßt, ob ein Ereignis als sicher wahrgenommen wird oder lediglich als eine Möglichkeit. Diese Dimension kennt die Zustände "sicher" und "unsicher". Die vierte Dimension hält fest, ob eine Person das Ereignis als verdient oder unverdient empfindet, mit den beiden Zuständen "verdient" und "unverdient". Die fünfte Dimension schließlich erfaßt, von wem das Ereignis ausgeht. Diese Dimension kennt die Zustände "die Umstände", "andere" oder "selbst". Aus der Kombination dieser fünf Dimensionen und ihrer Ausprägungen läßt sich eine Tabelle zusammenstellen (Roseman, 1984), aus der sich, so Roseman, Emotionen vorhersagen lassen. Insgesamt lassen sich 48 Kombinationen aus den Roseman'schen Dimensionen bilden (positiv/negativ x anwesend/abwesend x sicher/unsicher x verdient/unverdient x Umstände/andere/selbst). Mit diesen 48 kognitiven Einschätzungen korrespondieren, laut Roseman, 13 Emotionen. Nachdem experimentelle Überprüfungen dieses Ansatzes nicht die von Roseman postulierten Ergebnisse erbrachten, modifizierte er sein Modell (Roseman, 1984). Die zweite Dimension seines ursprünglichen Modells (Situation vorhanden oder abwesend) erhielt nun die Ausprägungen "motivkonsistent" und "motivinkonsistent", wobei "motivkonsistent" stets mit der Ausprägung "positiv" der ersten Dimension korrespondiert und "motivinkonsistent" mit der Ausprägung "negativ" der ersten Dimension. Anstelle der Alternativen "anwesend" und "abwesend" treten nun die Begriffe "appetitiv" und "aversiv". Eine weitere Korrektur betraf die vierte Dimension des ursprünglichen Modells (verdient/unverdient). Roseman ersetzte sie durch die Dimension der Stärke, d.h., ob sich eine Person in einer Situation als stark oder schwach empfindet. Die Ausprägungen dieser Dimension lauten dann auch "stark" und "schwach". Roseman ergänzte zudem die dritte Dimension seines ursprünglichen Modells (sicher/unsicher) durch eine weitere Ausprägung: "unbekannt". Das war notwendig, um die Emotion der Überraschung in seinem Modell zu erfassen. Roseman räumt selber ein (Roseman et al., 1996), daß auch dieses Modell sich in der empirischen Überprüfung als nicht ausreichend erwiesen hat. Als Konsequenz entwickelte er eine dritte Version seiner Theorie (Roseman et al., 1996). Sie unterscheidet sich von seinem zweiten Ansatz in mehreren Punkten: Die vierte Dimension (stark/schwach) wird ersetzt durch eine relationale Einschätzung des eigenen Kontrollpotentials, mit den Ausprägungen "niedrig" und "hoch". Die Ausprägung "unbekannt" der dritten Dimension wird ersetzt durch die Ausprägung "unerwartet", da dies laut Roseman die Voraussetzung für die Emotion der Überraschung ist. Und schließlich fügt Roseman für die negativen Emotionen noch eine Dimension hinzu, die er als "Problemtyp" bezeichnet. Sie hält fest, ob ein Ereignis als negativ wahrgenommen wird, weil es ein Ziel blockiert (mit dem Resultat "Frustration") oder deshalb, weil es seinem Wesen nach negativ ist (mit dem Resultat "Abscheu"). Diese Dimension kennt die Ausprägungen "nicht-charakteristisch" und "charakteristisch". Inwieweit diese vorerst letzte Modellvariante von Roseman empirisch belegbar ist, kann derzeit nicht eingeschätzt werden. Eine Schwäche des Modells ist jedoch evident: Es hat Probleme damit, wenn eine Person in ein- und derselben Situation zwei unterschiedliche Einschätzungen vornimmt. Wenn zum Beispiel ein Schüler der Meinung ist, daß sein Lehrer einen unfairen Test verabreicht, zugleich aber auch weiß, daß er sich auf den Test nur unzureichend vorbereitet hat, dann ist aus dem Roseman-Modell nicht klar ersichtlich, was seine Emotionen sind - denn es sind zwei Zustände der fünften Dimension parallel vorhanden. Aufgrund seiner einfachen Struktur, welche sich hervorragend in Regeln umsetzen läßt, die exakt definieren, nach welchen Einschätzungen welche Emotion auftritt, haben Rosemans Modelle eine positive Rezeption in Kreisen der Künstlichen Intelligenz erfahren. So stützte sich Dyer bei seinem Modell BORIS auf Rosemans ersten Ansatz, und auch Picard schreibt: "Overall, it shows promise for implementation in a computer, for both reasoning about emotion generation, and for generating emotions based on cognitive appraisals." (Picard, 1997, S. 209) 4.3. Die Theorie von SchererFür Scherer sind bei emotionalen Prozessen fünf funktional definierte Subsysteme beteiligt. Ein informationsverarbeitendes Subsystem evaluiert den Reiz durch Wahrnehmung, Gedächtnis, Vorhersage und Evaluation verfügbarer Informationen. Ein unterstützendes Subsystem reguliert den internen Zustand durch die Kontrolle von neuroendokrinen, somatischen und autonomen Zuständen. Ein leitendes Subsystem plant, bereitet Aktionen vor und wählt zwischen konkurrierenden Motiven aus. Ein handelndes Subsystem kontrolliert motorischen Ausdruck und sichtbares Verhalten. Ein Monitor-Subsystem schließlich kontrolliert die Aufmerksamkeit, die den gegenwärtigen Zuständen zuteil wird und leitet das resultierende Feedback an die anderen Subsysteme weiter. Für Scherer ist das informationsverarbeitende Subsystem von besonderem Interesse. Seiner Theorie zufolge basiert dieses Subsystem auf Einschätzungen, die Scherer als stimulus evaluation checks (SEC) bezeichnet. Das Resultat dieser SECs löst wiederum Veränderungen in den anderen Subsystemen aus. Scherer sieht fünf wesentliche SECs, von denen vier weitere subchecks besitzen. Der novelty check entscheidet, ob sich äußere oder innere Reize verändert haben; seine subchecks sind Plötzlichkeit, Vertrautheit und Vorhersagbarkeit. Der intrinsic pleasantness check legt fest, ob der Reiz angenehm oder unangenehm ist und verursacht entsprechende Annäherungs- oder Vermeidungstendenzen. Der goal significance check entscheidet, ob das Ereignis die Ziele der Person unterstützt oder verhindert; seine subchecks sind Zielrelevanz, Ergebniswahrscheinlichkeit, Erwartung, Unterstützungscharakter und Dringlichkeit. Der coping potential check ermittelt, inwieweit die Person glaubt, die Ereignisse unter Kontrolle zu haben; seine subchecks sind Agent, Motiv, Kontrolle, Macht und Anpassungsfähigkeit. Der compatibility check schließlich vergleicht das Ereignis mit inneren und äußeren Standards und Normen; seine subchecks sind Externalität und Internalität. Jede Emotion kann, so Scherer, eindeutig durch eine Kombination der SECs und subchecks bestimmt werden. Eine entsprechende Tabelle mit solchen Zuordnungen findet sich in [Scherer, 1988]. Eine Reihe von empirischen Studien hat Scherers Modell bislang unterstützt. 4.4. Die Theorie von FrijdaFrijda weist darauf hin, daß das Wort "Emotion" sich nicht auf eine "natürliche Klasse" bezieht und daß es nicht in der Lage ist, auf eine wohldefinierte Klasse von Phänomenen zu verweisen, die klar unterscheidbar sind von anderen mentalen und Verhaltensereignissen. Für ihn ist daher von größerem Interesse der Vorgang der Emotionsentstehung. Im Mittelpunkt von Frijdas Theorie steht der Begriff des Anliegens (concern). Ein Anliegen ist die Disposition eines Systems, bestimmte Zustände der Umwelt und des eigenen Organismus der Abwesenheit solcher Zustände vorzuziehen. Anliegen produzieren Ziele und Präferenzen für ein System. Wenn das System Probleme damit hat, diese Anliegen zu realisieren, entstehen Emotionen. Die Stärke einer Emotion wird dabei im wesentlichen bestimmt von der Stärke des oder der relevanten Anliegen(s). Frijda definiert sechs wesentliche Eigenschaften des Emotionssystems, die seine Funktion beschreiben:
Für Frijda sind Emotionen für Systeme, die vielfache Anliegen in einer unsicheren Umgebung realisieren, zwingend erforderlich. Wenn eine Situation eintritt, in der die Realisation dieser Anliegen gefährdet erscheint, entstehen sogenannte Handlungstendenzen (action tendencies). Diese Handlungstendenzen sind eng mit emotionalen Zuständen verknüpft und dienen der Sicherung der Durchsetzung von Anliegen, der von Frijda so genannten concern realization (CR). Als wesentliche Handlungstendenzen definiert Frijda (1986) die folgenden (zugehörige Emotionen in Klammern):
Im Detail muß, so Frijda, ein funktionierendes emotionales System über folgende Komponenten verfügen: Concerns: Interne Repräsentationen, gegen die die bestehenden Bedingungen getestet werden. Action Repertoire: Bestehend aus schnellen Notfall-Reaktionen, sozialen Signalen und Mechanismen, um neue Pläne zu entwickeln. Appraisal Mechanisms: Mechanismen, die Übereinstimmungen zwischen Ereignissen und Anliegen feststellen sowie Verbindungen zum Handlungskontrollsystem und zum Handlungsrepertoire. Analyser: Beobachten der eingehenden Informationen und Kodierung im Hinblick auf Implikationen und Konsequenzen. Comparator: Test aller Informationen auf Anliegenrelevanz hin. Das Ergebnis sind Relevanz-Signale, die das Handlungssystem und den Diagnoser aktivieren und Erregung (attentional arousal) verursachen. Diagnoser: Zuständig für Kontext-Evaluation, das Durchsuchen der Informationen nach handlungsrelevanten Hinweisen. Führt eine Reihe von Tests durch (z.B. ob Konsequenzen eines Ereignisses sicher oder unsicher sind, wer dafür verantwortlich ist usw.) und resultiert in einem Einschätzungsprofil (appraisal profile). Evaluator: Übereinstimmungs- oder Nicht-Übereinstimmungs-Signale vom Comparator und das Profil des Diagnoser werden kombiniert zum endgültigen Relevanz-Signal und seinem Intensitäts-Parameter. Die Intensität signalisiert dem Handlungssystem die Dringlichkeit einer Handlung. Das Relevanz-Signal konstituiert das sogenannte control precedence signal. Action Proposer: Bereitet die Handlung vor, indem eine passende Handlungsalternative ausgewählt wird und die dafür nötigen Ressourcen bereitgestellt werden. Actor: Generiert Handlungen. Diese generelle Beschreibung eines emotionalen Systems läßt sich so formalisieren, daß sie die Grundlage für ein Computermodell bilden kann:
Abb. 3: Frijdas Emotionssystem (Frijda und Moffat, 1994) Die bis hierhin skizzierte Theorie wurde von Frijda 1986 vorgestellt. Auf ihr basiert auch das Computermodell ACRES (Frijda und Swagerman, 1987), das weiter unten beschrieben wird. Die Evaluation von ACRES führte Frijda anschließend dazu, eine Reihe von Modifikationen an seinem theoretischen Ansatz vorzunehmen. Diese werden ebenfalls weiter unten im Zusammenhang mit dem Computermodell WILL (Moffat und Frijda, 1995) dargestellt. 4.5. Die Theorie von Oatley & Johnson-LairdOatley und Johnson-Laird haben ihre Theorie ausdrücklich in einer Form entwickelt, die als Computermodell implementiert werden kann, auch wenn sie selber diesen Schritt nicht vollzogen haben. Die Notwendigkeit dafür besteht für sie darin, daß nahezu alle Computermodelle des menschlichen Geistes Emotionen nicht berücksichtigt haben, während sie diese als zentralen Bestandteil für die Organisation kognitiver Verarbeitungsprozesse ansehen. Oatley und Johnson-Laird gehen in der von ihnen selbst als "communicative theory of emotions" (Oatley & Jenkins, 1996, S. 254) bezeichneten Theorie von einer Hierarchie von parallel arbeitenden Verarbeitungsinstanzen aus, die asynchron unterschiedliche Aufgaben bearbeiten. Diese Instanzen werden von einem zentralen Kontrollsystem (oder Betriebssystem) koordiniert. Das Kontrollsystem enthält ein Modell des gesamten Systems. Die einzelnen Module des Systems kommunizieren miteinander, damit ein Funktionieren überhaupt möglich ist. Laut Oatley und Johnson-Laird gibt es zwei Arten der Kommunikation. Die erste nennen sie propositional bzw. symbolisch; durch sie werden faktische Informationen über die Umgebung übermittelt. Die zweite Art der Kommunikation ist nonpropositional oder emotionaler Natur. Ihre Aufgabe ist es nicht, Informationen zu übermitteln, sondern das gesamte System der Module in einen Zustand der erhöhten Aufmerksamkeit zu versetzen, einen sogenannten emotion mode. Vergleichbar ist diese Funktion mit der von global interrupt-Programmen bei Computern: Das zentrale Postulat der Theorie lautet nach Oatley: Emotionen koordinieren quasi-autonome Prozesse im Nervensystem durch das Kommunizieren von signifikanten Wegmarken (plan junctures) aktueller Pläne. Oatley und Johnson-Laird bringen solche Wegmarken von Plänen in Verbindung mit elementaren Emotionen:
Tab. 2: Wegmarken von Plänen (nach Oatley, 1992, S. 55) Da sie an Wegmarken auftreten, sind Emotionen eine Design-Lösung für Probleme des Planwechsels in Systemen mit vielfältigen Zielen. Die Bezeichnung communicative theory of emotion rührt daher, weil es die Aufgabe von Emotionen ist, ganz bestimmte Informationen an alle Module des Gesamtsystems zu übermitteln. Nach einem Vorschlag von Sloman hat Oatley noch einmal konkretisiert, daß es in dem Modell zwei Arten von Signalen gibt: Semantische Signale und Kontrollsignale. Die beiden können, müssen aber nicht zusammen auftreten. So behauptet Oatley (1992), daß sein Modell das einzige sei, das einen vagen emotionalen Zustand erklären könne: in diesem Fall seien nämlich nur die Kontrollsignale aktiv, nicht aber die semantischen.
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